„Bahnhöfle“ im „Wolfental“
- 20. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Mai
Ein Beitrag von Heide Dittus
Das „Wolfental“ ist ein Trockental in der Nähe der Sulzer Gemeindegrenze zu Gültlingen und Deckenpfronn.

Der Beginn des „Wolfental“ markiert eine Wegkreuzung, an der sich fünf Wege treffen.
Dort befindet sich ein Wanderschild des Schwarzwaldvereins, auf welchem der Standort „Bahnhöfle“ vermerkt ist.

Wenn man weiß, dass das „Bahnhöfle“ vom steilen Wald der „Bronnhalde“ und dem Anstieg über die Felder des „Wolfental“ umgeben ist, fragt man sich schon, wie es zu diesem Begriff kommt.
Dazu müssen zurück um die Jahrhundertwende 1800/1900.
Bereits 1865 wurde die Eisenbahnstreck von Pforzheim nach Calw geplant.
Der Abschnitt Calw-Hochdorf sollte zusammen mit der ebenfalls geplanten Württembergischen Schwarzwaldbahn Stuttgart-Calw (heute Hermann- Hessebahn) den Teil der Nor-Süd Linie bilden.
Allerdings wurde eine direkte Verbindung von Stuttgart durch das Gäu Richtung Süden aufgrund der schwierigen topographischen Verhältnisse zunächst nicht in Angriff genommen.
Ereignisse wie der 1870er Krieg zwischen Deutschland und Frankreich sowie Unsicherheiten in der Finanzierung verzögerten den Bau ebenfalls. Alledings nicht sehr lange, denn bereits am 20. Juni 1872 fand die Eröffnung des Abschnitts Weil der Stadt-Calw statt.
Dieser Streckenabschnitt wurde 1874 der Nagoldbahn, heute Nagoldtalbahn, zugerechnet, welche heute von Pforzheim über Wildberg und Nagold nach Hochdorf (Horb) führt.
Die Gäubahn, welche anfangs von Stuttgart nach Freudenstadt führte, wurde 1879 eröffnte.
So, und nun kommt unser „Bahnhöfle“ in´s Spiel.
Im Jahr 1904 wurde von den Oberämtern Herrenberg, Calw und Nagold angedacht, eine Verbindung von der Gäubahn zur Nagoldbahn, zu bauen.Wildberg gehörte damals noch zum Oberamt Nagold.
Es wurde eine Eingabe an die „Hohe Ständeversammlung“ (heute: Landtag) gemacht betreffend:
„Die Verbindung der Gäubahn und Nagoldbahn durch eine normalspurige Nebenbahn zwischen Herrenberg und Wildberg“
(Vorhanden im Gemeindarchiv Sulz am Eck, Akte A 307)
Laut dieser „Eingabe“, heute wäre es ein Antrag, ergeht folgendes Schreiben an die
„Hohe Ständeversammlung“:
„Die ehrerbietigst unterzeichneten bürgerlichen Kollegien der Städte Herrenberg und Wildberg, sowie der
zwischenliegenden Gemeinden Affstätt, Kuppingen, Oberjesingen, Deckenpfronn, Gültlingen und Sulz gestatten sich, der hohen Ständeversammlung die Bitte um Erbauung einer normalspurigen Verbindungsbahn zwischen der Gäu- und Nagoldbahn, und zwar zwischen den Bahnhöfen Herrenberg und Wildberg, zu unterbreiten“……..
In dem Antrag werden die gesetzlichen Vorraussetzungen und Vergleiche mit anderen Streckenzusammenschlüssen erwähnt.
Außerdem wurden zwei Varianten von den Gemeinden ausgearbeitet
Projekt 1: Linie Herrenberg- Affstätt- Kuppingen - Oberjesingen - Deckenpfronn - Gültlingen - Sulz- Wildberg
Projekt 2: Linie Herrenberg- Affstätt- Kuppingen- Sulz – Wildberg

Projekt 1:
Diese Eisenbahnlinie würde eine Strecke von 18,30 Kilometer betragen und stellt einigen bauliche Herausfordeungen bezüglich der Brückenbauten (im Antrag „Kunstbauten“ genannt) über den Agenbach und die Nagold dar. Auch die Erdarbeiten wären nicht unerheblich. Angesichts dieser Umstände und der Grunderwerbskosten wurde ein Aufwand von 80 000 Mark pro Kilometer geschätzt,
Gesamtsumme 1 464 000 Mark.
Streckenverlauf im Bereich Sulz, von Gültlingen kommend:
„Nach dem Verlassen der Station Gültlingen wendet sich die Linie gegen Süde, indem sie die Gewanne Kapf und Ghäumaden durchfährt und an den südöstlichen Hang des Fischbaches sich anleht.
Nach 14+100 ist die Station Sulz neben der Straße Sulz – Gültlingen angedacht, deren Entfernung vom nördlichen Ende von Unter-Sulz etwa 1 km beträgt.
Wenn die Bahn die Station Sulz verlassen hat, muß im Tale des Agenbaches eine Kehre angeordnet werden, die in einem Bogen mit dem Halbmesser von 180m durchgeführt ist. Die Bahn überschreitet in dem Kehrbogen auf einem Damme von etwas 20m größter Höhe die Verbindungsstraße Sulz – Wildberg und den Agenbach. In der Folge bleibt die Linie, am Fuße des Gewands Tauchstein über die Lindhalde ziehend, stehts westlich von der Straße, die von Sulz auf den Verbindungsweg Gültlingen – Wildberg führt und kommt südlich an der Oberen Papiermühle vorüber“.
Das „Bahnhöfle“ wäre dieser Beschreibung nach also an der alten Verbindungsstraße Sulz – Gültlingen.
Nachdem von Wildberg kommend am „Tiefen Bach“ eine 180° Kurve durchfahren wurde, führt die Strecke den „Eichberg“ entlang. Dort wäre dann der Bahnhof angedacht gewesen.
Umgangssprachlich wurde dann das ganze Gewann einfach „Bahnhöfle“ genannt.
Da die Wanderschilder des Schwarzwaldvereins immer einen Standort brauchen, wurde dieser Standort im „Wolfental“ das „Bahnhöfle“ genannt, obwohl der eigentliche Bahnhof weiter unten am Hang gewesen wäre.
Projekt 2:
Diese Eisenbahnlinie würde eine Strecke von 15,35 Kilometer betragen. Auch hier müssten Brücken und sogar eine Straßenunterführung gebaut werden. Der Aufwand entspricht dem von Projekt 1, also auch
80 000 Mark pro Kilometer. So ergibt sich hier eine Gesamtsumme von 1 230 000 Mark.
Streckenverlauf im Bereich Sulz :

Dh., im „Zigeunerberg“ würde die Bahn die Grenze Sulz-Kuppingen überqueren, ginge dann vor Richtung „Lehen“, danach wieder etwas am Hang zurück, und würde in einer 180° Kurve auf einem bis zu 18m hohen Damm das Tal überqueren.
Weiter am „Atzelberg“ entlang, dann oberhalb von Obersulz (Katzengraben??) das „Lindach“ entlang bis nach Untersulz. Dort wäre im Bereich des heutigen „Ärztehauses“ Kirchstraße 22, ein Bahnhof angedacht gewesen.
Danach ginge es paralell der Straße weiter Richtung Wildberg bis zum „Tiefen Bach“.
Ab dort würde diese Varante auf der Trasse von Projekt 1 bis Wildberg geführt werden.

Anscheinend brauchten die Beratungen zu diesem Projekt mehrere Jahre, denn am 1. April 1908 wurde im „Gäubote“ folgendes berichtet:
„…….Unter bezugnahme auf die Eingabe vom 10. April 1904, betreffend die Verbindung der Gäubahn mit der Nagoldbahn durch eine normalspurige Nebenbahn Herrenberg – Wildberg wird ihnen… mirgeteilt…..,daß die Prüfung des Gesuchs wegen anderweiter Inanspruchnahme des technischen Personals der Eisenbahnverwaltung zurückgestellt werden muß“.
Unter Anderem wurden die Kostenschätzungen als zu niedrig angesetz gehalten und ungünstige Geländeverhältnisse würden Mehrkosten verursachen.
Das königliche Ministerium für auswärtige Angelegenheiten hat neue Berechnungen angestellt und war bei Projekt 1 für die 18,3 Kilometer auf Kosten von 3 840 000 Mark Baukosten und 300 00 Mark Grunderwerbskosten gekommen.
Bei Projekt 2 würden sich die Baukosten demnach auf 3 150 000 Mark belaufen und die Grunderwerbskosten nochmals 250 000 Mark betragen.
Weiter wird geschrieben, dass „ die Betriebseinnahmen (Fahrgeld) vorraussichtlich nicht einmal zur Deckung der Bertriebskosten ausreichen würden“. …..„Der Staat hätte dadurch jährlich einen hohen Zuschuß zu leisten“.
„Dem Gesuch kann unter diesen Umständen und zumal im Hinblick auf die gegewärtige Finanzlage des Staates seitens des Ministeriums eine Berücksichtigung nicht in Aussicht gestellt werden.“

Und hier noch Zeitungsartikel aus dem Jahr 1908 aus dem Gäuboten zu den Projekten:




Comments